Interview mit Marco Sieger
Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Marco Sieger interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Orthopäde & Unfallchirurg.
jameda: Herr Sieger, was hat Sie motiviert, Orthopäde & Unfallchirurg zu werden, und warum haben Sie sich für Ihre Spezialgebiete entschieden?
Herr Sieger: In meiner Arbeit als Physiotherapeut hatte ich mich immer wieder für die komplexen Zusammenhänge von Schmerz und seine Entstehung interessiert und wollte irgendwann mehr dazu wissen. Daher habe ich mich dann für das Studium der Humanmedizin entschieden. Im Fachgebiet der Orthopädie fand ich die beste Mischung aus Sport, Biomechanik und Medizin. Ca. 61 % aller Deutschen klagen über Rückenschmerzen. Dieses Volksleiden habe ich als Spezialgebiet gewählt, da dieses in der Regel gut behandelbar ist, oft aber zu oberflächlich betrachtet wird. So gibt es gegenseitige Beeinflussungen von Hüft-, Knie- und Rückenschmerzen, die als Kette erkannt werden sollten.
jameda: Worin liegt Ihr Tätigkeitsschwerpunkt und was macht diesen so besonders?
Herr Sieger: Mein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Behandlung der schmerzhaften Wirbelsäule. Primär durch Injektionen direkt an die schmerzverursachende Struktur (Gelenke, Bänder, Nerven). Diese von der IGOST gelehrte Technik nach Professor Krämer hat eine hohe Erfolgsquote und kommt ohne Röntgenstrahlung aus. Durch die so erreichte Beschwerdelinderung ist es möglich, die Ursache der Strukturveränderung wie z. B. fehlgeleitete Kräfte dauerhaft zu verändern.
jameda: Gibt es im medizinischen Bereich ein Vorbild, das Ihre Laufbahn besonders geprägt hat?
Herr Sieger: Prof. Dr. Bloch und seine Arbeiten zur Epigenetik. Roland Liebscher Bracht mit seiner unorthodoxen Herangehensweise an Schmerzen. Thomas Meyers und seine Beschreibung der myofaszialen Ketten.
jameda: Gibt es aktuell Hilfen oder Neuerungen, die Ihnen Ihren Praxisalltag erleichtern können?
Herr Sieger: Die 4D-Messung versetzt uns in die Lage, funktionelle Zusammenhänge der Schmerzentstehung zu visualisieren. Auch die Sonographie ist nicht mehr wegzudenken und liefert in Echtzeit auch Bilder in Bewegung.
jameda: Wo sehen Sie in Ihrem Fachgebiet die größten Herausforderungen für die Zukunft?
Herr Sieger: Die Erkrankungen des Bewegungsapparates werden auf Grund unserer inaktiven Lebensweise zunehmen. Hier gilt es schon früh, durch gezielte Bewegunsangebote in Kita/Schulen aber auch am Arbeitsplatz, entgegenzuwirken. Zu diesem Thema verweise ich gerne auf das Buch „Sitzen ist das neue Rauchen“ von Dr. Kelly Starrett.
jameda: Was wird an Ihrem individuellen Umgang mit Ihren Patienten besonders geschätzt?
Herr Sieger: Oft höre ich vom Patienten/innen, er/sie sei noch nie so genau untersucht worden.
In meiner Sprechstunde wird viel gelacht.
jameda: Was schätzen Sie an Ihren Patienten besonders?
Herr Sieger: Wenn sie bereit sind, einen neuen /anderen Weg zu beschreiten oder ihr Verhalten zu ändern. Dabei geht es gar nicht um große Dinge. Oft bringt bereits eine kleine Modifikation (die Schlafposition zu ändern, konsequente Behandlung der Grundkrankheiten und neue Gewohnheiten zu etablieren) gute Erfolge.
jameda: Gibt es ein besonderes Patientenerlebnis, das sie nie vergessen werden?
Herr Sieger: Ein Profiboxer, der jahrelang wegen Rückenschmerzen behandelt wurde, bei dem aber eine ausgeprägte beidseitige Hüftarthrose bestand. Nach operativer Therapie dieser Ursache konnte er seine Laufbahn erfolgreich fortführen. Ein Kind mit Haltungsschaden, das lange Zeit ausschließlich mit Kräftigungsübungen behandelt wurde, aber als Ursache keine Rumpfkontrolle aufwies. Durch Verordnung der geeigneten Physiotherapie (in diesem Fall Bobath) konnte das Kind wieder länger gehen, stehen und seine Konzentration in der Schule verbessern.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Sieger: Den Alltag aktiver gestalten. Es muss nicht immer die Muckibude sein, wichtiger ist es, Freude an Bewegung neu zu entdecken. Regelmäßige kleinere Sporteinheiten von Flamenco-Tanzen, über Parcour bis hin zu Gewichtheben oder dem täglichen Spaziergang mit dem Hund sind eher zu empfehlen. Ich möchte jedem Patienten/in den Sport ermöglichen, der ihr/ihm Spaß macht.
Zur Person: Ich bin Familienvater, sportlich sehr aktiv, weil es mir Spaß macht. 10 Jahre lang habe ich die konservative Abteilung einer großen sportorthopädischen Praxisklinik in Köln geleitet. Somit durfte ich mein Hobby zum Beruf machen. Meine Frau sagt, ich hätte durch meine Erfahrung als Physiotherapeut einen guten klinischen Blick, sollte aber an meinen komplizierten Erklärungen arbeiten.
Zur Praxis:
Wir hatten gerade unsere Traumpraxis in der Klosterstraße in Erftstadt eingerichtet, als auch wir vom Starkregen überrascht wurden. Wegen der nun aufwendigen Sanierungsarbeiten haben wir eine Zwischenlösung in den Räumlichkeiten des ehemaligen Amtsgerichtes in Erftstadt gefunden.